Simple Ethnography

Auf Deutsch (etwa):

Einfache Verhaltensbeobachtungen

Das tatsächliche Verhalten von Menschen beobachten und aufzeichnen

Dauer:

75 Minuten bis 7 Stunden

Was wird ermöglicht?

Teilnehmende können neue Ansätze für Herausforderungen finden, dadurch dass sie in die Aktivitäten der Menschen eintauchen, die konkrete Erfahrungen haben – also diejenigen, die z. B. Produkte und Dienstleistungen selbst nutzen, oder ihre Kolleg:innen im direkten Kontakt mit Kund:innen. Es öffnet sich die Tür zu Veränderung und Innovation, indem Teilnehmende erfahren, was die Menschen tatsächlich fühlen und tun. Sie beobachten als Ethnograf:innen sowohl das Verhalten von Menschen, die im Unternehmen Dienstleistungen oder Produkte konzipieren, herstellen oder damit arbeiten, als auch Kund:innen, die diese Dienstleistungen und Produkte nutzen. Die Beobachtungen und Erkenntnisse können dazu führen, dass Prototypen zügiger entwickelt werden und so dabei helfen, die Leistung zu steigern. Wenn die einzelnen Beobachtungen als Gesamtheit betrachtet werden, ist es leicht, wichtige Muster zu erkennen.

Die fünf Strukturelemente – Minimalanforderungen

1. Die Einladung gestalten

  • „Beobachtet Menschen still dabei, wie sie etwas tun, das mit eurer konkreten Herausforderung zu tun hat. Interviewt die Personen im Anschluss, um weitere Erkenntnisse zu gewinnen.“

2. Raumgestaltung und benötigtes Material

  • Direkt vor Ort (am Arbeitsplatz, im Unternehmen, bei den Kund:innen, in der Nachbarschaft), mit ausreichend Platz, um Erkenntnisse, Fotos und Videos miteinander zu teilen
  • Notizbücher, Kamera, Video und, falls nötig, Einverständniserklärungen

3. Art der Beteiligung und Einbindung

  • Alle, die direkt an einer Herausforderungen arbeiten, können als Ethnograf:innen berücksichtigt werden
  • Alle haben die gleiche Gelegenheit, etwas beizutragen

4. Aufteilung der Gruppe(n)

  • Allein oder zu zweit, verteilt über die Beobachtungsorte
  • Gesamte Gruppe für die Auswertung

5. Schritte und zeitliche Abfolge

  • Nennt das Problem, das gelöst werden soll, und wie es zur Zeit wahrgenommen wird. (5 Min.)
  • Identifiziert die Beobachtungsorte und die Menschen, die dort beobachtet werden sollen, um deren Erfahrungen zu analysieren. (5 Min.)
  • Begebt euch an euren Beobachtungsort. Beschränkt euch darauf, zu beobachten. Verzichtet darauf, direkt zu interagieren oder etwas zu tun, außer Details und eigene Reflektionen festzuhalten. (10-180 Min.)
  • Wählt dann beobachtete Verhaltensweisen aus, die eine ganz oder teilweise andere Herangehensweise an eure Herausforderung darstellen. Fragt bei den Personen nach, was sie gefühlt und gedacht haben, während sie sich so verhielten. (20-180 min)
  • Kommt in der ganzen Gruppe wieder zusammen und nutzt 1-2-4-All, um eure Notizen zu vergleichen und Muster oder außergewöhnliche Herangehensweisen zu finden. (15 Min.)
  • Schreibt eure Beobachtungen auf oder verfasst daraus Geschichten, die Bedürfnisse und Möglichkeiten hervorheben. (10-20 Min.)
  • Lasst eure Erkenntnisse in erste Brainstormings und die Planung von Prototypen einfließen. (10 Min.)
  • Wiederholt die Schritte, bis alle das Gefühl haben, einen besonders starken neuen Ansatz gefunden zu haben, wie die gemeinsame Herausforderung anders angegangen werden könnte.

Intention und Anwendungszweck

  • Unsichtbare Abläufe sichtbar machen
  • Grundlegende Bedürfnisse identifizieren und innovative Lösungen finden
  • Stilles und verborgenes Wissen zugänglich machen, das nicht einfach über z. B. Fokusgruppen abgefragt werden kann
  • Respekt und Vertrauen zeigen, indem die Personen, die unmittelbar mit einer Herausforderung zu tun haben, beobachtet und interviewt werden

Tipps und Stolperfallen

  • Versucht, die Beobachtungen nicht allzu früh mit Bedeutungen und Interpretationen anzufüllen.
  • Wiederholt einzelne Schritte, wenn ihr das Gefühl habt, noch keinen besonders starken Ansatz gefunden zu haben.
  • Macht euch bewusst, dass echte Erkenntnisse häufig in unscheinbaren, meist übersehenen Details liegen.
  • Konzentriert euch bei der Beobachtung auf intrinsische Eigenschaften und ignoriert Dinge wie Hierarchien.
  • Sucht nach dem, was unregelmäßig, persönlich oder ganz gewöhnlich zu sein scheint.
  • Versucht zu akzeptieren, wenn eure Interpretationen mehrdeutig sind.
  • Ignoriert nicht die Dinge, die unvollkommen, roh oder unbeständig sind – gerade Abweichungen können etwas Positives sein.
  • Führt eine oder mehrere Runden Simple Ethnography durch, nachdem ihr den neuen Ansatz für die Herausforderung eingeführt habt.

Varianten und Kombinationen

  • Nutzt die klassische Heldenreise als Inspiration, um eure Beobachtungen zu strukturieren.
  • Versucht, die Herausforderung zu zeichnen oder ein Modell davon zu bauen – seid bereit für die Überraschungen, die nonverbale Methoden hervorbringen können.
  • Bindet Kund:innen in den Beobachtungsprozess ein. Beispielsweise könnt ihr sie bitten, ihre eigenen Verhaltensweisen aufzuzeichnen und die Bilder und Videos mit der Gruppe zu teilen.

Quellen und Inspiration

Diese Liberating Structure wurde von Henri Lipmanowicz und Keith McCandless entwickelt. Inspiriert wurde sie von Chris McCarthy und den Ethnograf:innen im Innovation Learning Network (www.iln.org).

***